Der Grundton dieser Website ist ein naturgemäß
(im doppelten Sinne) dunkler und düsterer, damit aber neben jenem
tiefen Bass der luziden melancholischen Hoffnungslosigkeit auch eine helle,
melodiöse Violine mitklingt, werde ich hin und wieder unter dem Motto
"Die guten Seiten der Hölle" das beleuchten, was auch dem schwärzesten
Denken entkommt und das Leben trotz allem lebenswert macht. Denn es ist
ja nicht so, dass pessimistische Philosophen und dergleichen Existenzen
den ganzen Tag traurig in einem dunklen Keller über die Sinnlosigkeit
des Daseins weinen. Denn "dem Wilen zum Leben ist das Leben gewiß"
und da wir nun alle im Kern unseres Wesens nicht nur diesen Willen haben,
sondern nichts anderes als dieser Wille sind, bleibt immer - egal wie sehr
man auch den Schleier der Maja durchschaut hat - das Streben nach Leben
am leben.
Dieser erste Beitrag zum Thema "Die guten Seiten der Hölle"
beleuchtet kurz zusammengefasst einige Vorteile, Pessimist zu sein.
1. Die Beinahe-Resistenz gegen Enttäuschungen: Wer
von der Welt im Ganzen und vom Leben im Speziellen prinzipiell enttäuscht
ist, der bringt keine oder zumindest kaum mehr Enttäuschung auf, wenn
die Dinge wieder einmal nicht so laufen, wie sie laufen sollten, wenn das
erstrebte Ziel beim scheinbaren Erreichen wieder einmal um ein paar Kilometer
nach vorne verschoben wird, wenn eine Sache, die als sicher und beständig
angesehen wurde, urplötzlich zusammenbricht, wenn Politiker nach der
Wahl ihre Versprechen nicht halten, die große Reform doch wieder
im Keim erstickt wird, die Menschheit wieder nichts aus ihren Fehlern gelernt
hat und so weiter. All dies ist nur dann enttäuschend, wenn man von
der falschen Grundannahme ausgegangen ist, die man auf verschiedene Arten
formulieren kann, zum Beispiel: Die Dinge müssen so laufen, wie wir
uns das vorstellen oder Die Menschen sind prinzipiell gut, ehrlich, vernünftig
und vertrauenswürdig oder ganz allgemein Das Leben ist da, um glücklich
zu sein. Wer jedoch diese optimistischen und grundfalschen Erwartungen
überwunden hat, den kann fast nichts mehr erschüttern, weil er
nichts anderes mehr erwartet.
2. Der Umgang mit Schicksalsschlägen: Während
unter Punkt 1 von den kleineren Enttäuschungen des Lebens die Rede
war, gegen die man durch den Umständen angepasstes pessimistisches
Denken beinahe resistent werden kann, sieht es beim zweiten Punkt etwas
anders aus: Gegen große, herbe Schicksalsschläge wie die Diagnose
einer schweren Krankheit oder den Verlust eines geliebten Menschen kann
auch der abgeklärteste und unerschütterlichste Pessimist nicht
immun werden, da wie oben beschrieben der Wille zum Leben immer bestehen
bleibt, wenn auch noch so verschüttet unter den Trümmern der
Resignation und Verzweiflung, und somit ein schwerer Schlag auch ihn zu
Boden wirft. Jedoch wird, behaupte ich, auch mit Ereignissen dieser Schwere
und Tragik der pessimistisch-melancholische Geist besser umzugehen wissen,
als der ewig heitere, lebensbejahende Optimist. Denn auch wenn ein Schicksalsschlag
besonderer Größe auch von ihm zunächst als furchtbar, ungerecht
und enttäschend wahrgenommen wird und das altbekannte "Warum Ich?"
angestimmt wird, kommt schon bald die alte, verschüttete Erkenntnis
wieder an die Oberfläche, dass die Welt eben so ist, dass das Unglück,
auch das schwere, in der Natur alltäglich ist und das sich die Frage
"Warum ich?" ganz einfach beantworten lässt mit: "Weil ich lebe"!
Denn seit gelebt wird, wird auch gelitten, ja - im Grunde ist der Inhalt
unseres ganzen Daseins Entbehrung, Not, Kampf, Schmerz und Leiden. Die
Frage nach dem Grund für das subjektive Leiden (die warum ich Frage)
erübrigt sich durch die Erkenntnis, dass wir alle zum Leiden verdammt
sind und furchtbare und schreckliche Schicksalsschläge im Minutentakt
die globale Folterkammer "Erde" erschüttern, von der Familie, die
in einem Sekundenbruchteil bei einem Verkehrsunfall ausgelöscht wird
über die unheilbare Krebserkrankung, die bei einem Kind diagnostiziert
wird bis zum Flugzeugabsturz, bei dem Dutzende Existenzen mit einem Schlag
ausgelöscht werden. Die Liste fortzusetzen würde jeden Rahmen
sprengen, insbesondere wenn man noch die Tierwelt mit einbeziehen würde
- jede Sekunde schlägt hundertfach die letzte Stunde. Deshalb erkennt
das Individuum, das eine an diese Tatsachen angepasste Weltsicht hat, sein
Schicksal als nichts anderes an, als das was von der Natur gewollt wird,
manifestiert in ungezählten Tragödien seit Anbeginn des Lebens.
3. Die kleinen Freuden des Lebens: Es mag paradox klingen,
aber ich bin mir ziemlich sicher, dass pessimistisch denkende Menschen
(jedenfalls philosophisch pessimistische) die kleinen Freuden des Lebens
mehr genießen können als die dem gesunden Optimismus verfallenen
Massen. Denn gerade durch die manchmal überwältigende (im negativen
Sinne) Klarsicht auf die Qual und das Leiden des Daseins, freut man sich
um so mehr wenn man - und sei es nur für ein paar Minuten - sich an
einer Kleinigkeit, einem glücklichen Zufall oder einer besonderen
Begebenheit erfreuen kann. Es ist im allgemeinen festzuhalten, dass Pessimisten
weitaus sensiblere Menschen sind als der verrohte Durchschnitt, denn wie
könnten sie sonst all das wahrnehmen, was die große Herde übersieht.
Die gute Seite dieser Übersensibilität ist eben, dass sie auch
in die positive Richtung wirkt, was sich in der größeren und
intensiveren Freude über die kleinen Dinge bemerkbar macht, welche
von der großen Mehrheit der Mitmenschen entweder überhaupt nicht
wahrgenommen oder aber als unwichtig und nebensächlich abgetan, im
besten Falle einer kurzen Aufmerksamkeit gewürdigt und dann vergessen
werden!
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