Auszüge:
Ich brauche nur zu hören, wie jemand mit Überzeugung
von Idealen, Zukunft, Philosophie spricht, wie er voller Selbstbewußtsein
"wir" sagt und sich auf die "anderen", für deren Wortführer er
sich hält, beruft -, um ihn als meinen Feind anzusehen. Ich erkenne
in ihm den verfehlten Tyrannen, den verhinderten Henker - nicht minder
hassenswert als Tyrannen und Henker von Format. Denn jeder Glaube übt
eine Art Terror aus, und dieser Terror ist umso gefährlicher, als
"Idealisten" ihn in die Wege leiten.
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In jedem Menschen schlummert ein Prophet: erwacht er,
so gibt es ein klein wenig mehr des Übels in der Welt. Der Predigerwahn
sitzt tief in unserem Innern, er muß aus Tiefen emportauchen, die
selbst dem Selbsterhaltungstrieb verborgen bleiben. Jedermann erwartet
den Augenbkick, da er etwas anpreist - gleichviel was. Er hat eine
Stimme, das genügt. Es kommt uns teuer zu stehen, daß wir weder
taub noch stumm sind. Von den Straßenkehrern bis zu den Snobs - alle
sind sie freigiebig mit ihrer verbrecherischen Großmut, alle verteilen
sie Rezepte des Glücks, alle wollen sie die Schritte aller lenken:
das Leben in der Gemeinschaft wird unerträglich, noch unerträglicher
jedoch das Leben mit sich selber: man braucht sich um die Angelegenheiten
der anderen gar nicht zu kümmern, man ist um die eigenen derart besorgt,
daß man entweder sein "Ich" in eine Religion umwandelt oder - ein
Gegenapostel gleichsam - es verneint. Wir alle sind Opfer des Universalspiels.
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Der Mensch, der sich außerhalb seiner eigentlichen
Bahnen und außerhalb seiner Instinkte bewegte, ist schließlich
in einer Sackgasse angelangt. Nirgends hat er halt gemacht - nun hat er
sein Ende eingeholt. Ein zukunftsloses Tier, mußte er in seinem Ideal
versinken: sein eigenes Spiel wurde ihm zum Verhängnis. Weil er ununterbrochen
über sich selbst hinaus gelangen wollte, ist er erstarrt und kann
nicht weiter; nun bleibt ihm nichts übrig, als seine Torheiten zu
rekapitulieren, sie zu büßen und ein paar neue zu begehen. Es
gibt indessen auch andere, denen selbst dies versagt bleibt: "Wir, die
wir des Menschseins entwöhnt sind", so sagen sie sich, "gehören
wir denn noch einem Stamm, einem Geschlecht, irgendeiner Sippe an? Solange
wir noch am Vorurteil des Lebens festhielten, waren wir in einem Irrtum
befangen, der uns den anderen gleichstellte - doch wir sind ausgebrochen
aus der Gattung Mensch."
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Auf ewig sei der Stern verflucht, unter dem ich geboren
wurde, möge keinerlei Himmel ihn schützen, möge er im Raum
zerbröckeln und zerstieben! Und jener heimtückische Augenblick,
der mich mitten unter die Geschöpfe stieß, möge auch er
für immer ausgelöscht sein aus den Verzeichnissen der Zeit!(...)
Dieses verbitterte Verharren in einem Weltall, in dem
nichts sich vorhersehen läßt und in dem dennoch sich alles wiederholt
- wird es denn niemals ein Ende haben? Wie lange noch wird man sich immer
und immer wieder sagen müssen: "Dies Leben, das ich so abgöttisch liebe,
ist mir ein Greuel!" Jedes unserer nichtigen Delirien macht aus jedem von
uns einen Gott, der einem abgeschmackten Geschick unterworfen ist. Wozu
uns noch gegen die Symmetrie dieser Welt auflehnen, wo doch das Chaos selber
nur ein System der Unordnung ist? Unser Schicksal will, daß
wir gemeinsam mit den Kontinenten und Sternen vermodern, und so werden
wir bis ans Ende aller Zeiten wie resignierte Kranke neugierig sein auf
die erwartete, schreckliche und nutzlose Lösung des Knotens.
Lehre vom Zerfall
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