Auszüge aus dem Kapitel "Der böse Demiurg":
Es ist schwer, es ist unmöglich zu glauben, daß
der gute Gott, der "Vater" mit dem Skandal der Schöpfung etwas zu
tun hatte. Alles drängt zum Gedanken, daß er nichts dafür
kann, daß sie auf einen anderen, skrupellosen Gott, einen korrumpierten
Gott weist. Die Güte schafft nicht, ihr mangel es an Phantasie; deren
bedarf es aber, um eine Welt herzustellen, wie hingepatzt sie auch sei.
Notfalls mag eine Tat oder ein Werk aus der Mischung von Güte und
Bosheit entstehen. Oder ein Weltall. Vom unsrigen aus ist es jedenfalls
bedeutend leichter, auf einen anrüchigen als auf einen ehrenwerten
Gott zu tippen.
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Wir können nicht umhin zu denken, daß die
im Zustand des Entwurfs gebliebene Schöpfung nicht abgeschlossen werden
konnte und es auch nicht verdiente und daß sie insgesamt ein Fehler
ist. Der berühmte Fehltritt, den der Mensch begangen hat, erscheint
somit als die verkleinerte Fassung einer weit schwereren Untat. Worin besteht
unsere Schuld, wenn nicht darin, daß wir mehr oder weniger dienstfertig
dem Beispiel des Schöpfers gefolgt sind? Sein Verhängnis erkennen
wir sehr wohl in uns: nicht umsonst kommen wir aus den Händen eines
unglücklichen und bösen Gottes, eines verfluchten Gottes.
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Wir alle haben sie geerbt, die Unfähigkeit, bei
sich zu bleiben, von welcher der Schöpfer eine so bedauerliche Demonstration
geboten hat: Zeugen, das heißt, auf andere Weise, in anderer
Größenordnung das Unternehmen fortsetzen, das seinen Namen trägt,
es heißt, aus beklagenswerter Nachäffung seiner "Schöpfung"
etwas hinzufügen. (...) Die Lepra ist ungeduldig und gierig, sie liebt
es, sich auszudehnen. Es ist wichtig, die Fortpflanzung zu entmutigen,
denn die Furcht, daß die Menschheit erlösche, hat keine Grundlage:
was auch geschieht, es wird immer genug Blöde geben, die nichts besseres
wünschen, als sich fortzusetzen, und wenn selbst sie sich schließlich
entziehen, so wird sich immer irgendein widerliches Paar finden, das sich
dafür opfert. Es geht nicht so sehr darum, den Hunger aufs Leben zu
bekämpfen, als die Lust auf "Nachkommenschaft". Die Eltern, die Erzeuger,
sind Provokateure oder Irre. Daß noch die letzte Mißgeburt
die Gabe besitzt, Leben zu geben, "auf die Welt zu bringen" - gibt es Demoralisierenderes?
Wie kann man ohne Entsetzen und Abscheu an dieses Wunder denken, das aus
dem nächsten besten einen Kleindemiurgen macht? Was ebenso außerordentlich
sein sollte wie das Genie, ist ohne Unterschied allen gegeben: ein anrüchiges
Geschehen, das die Natur auf alle Zeiten disqualifiziert.
Die kriminelle Aufforderung der Genesis: "Wachset und
mehret euch", konnte nicht aus dem Munde des guten Gottes gekommen sein.
Seid selten, hätte er vermutlich empfohlen, wenn er mitzureden
gehabt hätte. Niemals hätte er ferner jene unheilvollen Worte
hinzufügen können: "Und macht euch die Erde untertan". Man sollte
sie sogleich ausmerzen, um die Bibel von der Schmach zu reinigen, sie aufgenommen
zu haben. (...) Die Welt ist nicht in Freude erschaffen worden. Doch zeugt
man im Genuß. Gewiß, aber der Genuß ist nicht die Freude,
er ist deren Trugbild. Seine Funktion ist, zu mogeln, uns vergessen zu
lassen, daß die Schöpfung bis in jede Einzelheit das Siegel
jener ursprünglichen Trauer trägt, aus der sie entspringt. Die
Lust ist wesentlich Betrug und erlaubt uns, zu leisten, was wir theoretisch
ablehnen, verdammen. Ohne ihre Hilfe würde die Enthaltsamkeit Terrain
gewinnen und selbst die Ratten verführen.
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Aphorismen aus dem Kapitel "Erwürgte Gedanken":
Ich kann nichts unternehmen, wenn ich nicht von dem, was
ich weiß, absehe. Sobald ich es ins Auge fasse und daran denke,
sei es auch nur eine Sekunde, verliere ich den Mut, löse ich mich
auf.
Leiden heißt Erkenntnis produzieren.
Ganze Tage hindurch Lust, ein Attentat gegen die fünf
Kontinente durchzuführen, ohne einen Augenblick lang an die Mittel
zu denken.
Schauen sie sich die Fresse des Menschen an, der auf irgendeinem
Gebiet Erfolg hatte, der sich abgemüht hat. Sie finden da nicht
die mindeste Spur von Mitleid. Er ist der Stoff, aus dem ein Feind
gemacht ist.
Geschwätz ist jede Konversation mit einem, der nicht
gelitten hat.
Die Tiere, die Vögel, die Insekten haben alles seit
jeher gelöst. Warum sie übertreffen wollen? Die Natur widerstrebt
der Originalität, sie lehnt den Menschen ab, verabscheut ihn.
Was mich hindert, in die Arena zu steigen, ist, daß
ich dort zuviele Geister gewahre, die ich bewundere, aber nicht achte,
weil sie mir so naiv vorkommen. Warum sie herausfordern, warum mich mit
ihnen auf der gleichen Piste messen? Meine Mattheit schenkt mir eine solche
Überlegenheit, daß sie mich, so scheint's mir, niemals einholen
können.
Der Mensch, dieser Ausrotter, hat etwas gegen alles, was
lebt, gegen alles, was sich bewegt: bald wird man von der letzten Laus
reden.
Solange man irgendwem, und sei es einem Gott, seinen Erfolg
neidet, ist man ein elender Sklave wie alle.
Die verfehlte Schöpfung
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