Jedes Glück ist negativ, jeder Schmerz ist positiv! Gegen diese Feststellung sträubt sich - zurecht - erstmal alles. Das liegt zum einen daran, daß der Mensch so nicht denken will, zum anderen aber auch an einem sprachlichen Mißverständnis. Denn mit "positiv" ist hier nicht gut, schön, erstrebenswert gemeint, und "negativ" bedeutet nicht "schlecht, schlimm, zu vermeiden". Die Begriffe stehen hier vielmehr dafür, ob ein Gefühl direkt, unmittelbar und sozusagen "aufdringlich" erfahren wird (also positiver Natur ist) oder ob es nur indirekt, mittelbar und durch die Abwesenheit von etwas anderem erfahren wird (also negativer Natur ist).
Wenn man unter diesem Gesichtspunkt die Aussage: Jedes Glück ist negativ, jeder Schmerz positiv, noch einmal unter die Lupe nimmt, steht sie in einem deutlich glaubhafteren und logischeren Lichte da, als zuvor. Dies nachzuweisen, bedarf es keiner hochtrabenden Philosophie, sondern es reicht ein Blick in den Alltag eines jeden Menschen. Während jede Form von Schmerz stets positiver Natur ist, indem der Schmerz direkt und unmittelbar empfunden werden muß, weil er sich aufdrängt und nicht zu ignorieren ist, ist das Glück in so gut wie allen Fällen nur negativer Natur, zeichnet sich also durch die Abwesenheit von Schmerz aus. Schmerz meint hier nicht nur körperlichen Schmerz, sondern auch seelischen und psychischen Schmerz, genau so wie jedes Bedürfnis, jede Not, welche im Innersten ihres Wesens immer auch Schmerz ist, weil sie einen Mangel darstellt, der behoben werden muß. Ist der Mangel behoben, tritt Befriedigung, Glück, Freude ein - jedoch mußte diese erkauft werden durch ein unverhältnismäßig hohes Maß an Schmerz.
Selbstredend beweist die Lebenserfahrung eines jeden (wenn er denn fähig zur Selbstreflexion ist) zudem, daß das so erworbene Glück niemals lange anhält - schon nach kurzer Zeit wird es durch einen neuen Wunsch, einen neuen Mangel, ein neues Bedürfnis ersetzt und das Spiel beginnt von vorne. Die wenigen Momente des scheinbaren Glückes raubt schnell eine andere Form von Schmerz - die Langeweile. Denn sie ist es, die uns mit lauter, höhnisch lachender Stimme zuruft: Dein Leben ist nichts anderes als ein ewiges Hinterherjagen dem Glücke nach! So stellt sich in der Tat das Leben dar als ein tragisches Schauspiel, da das scheinbare potentielle Glück immer neue Masken aufsetzt und der Mensch gar nicht anders kann, als mitzuspielen, weil er nun einmal blinder Wille zum Leben ist, obwohl dessen einziges tatsächliches Verdienst immer nur ist, jenes Leben selbst am Leben zu erhalten, während das Individuum verzweifelt nach einem Sinn sucht.
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