Sonntag, 16. Dezember 2012

Die guten Seiten der Hölle II - Die Leidenschaft für das Absurde

Je nachdenklicher, tiefsinniger oder auch melancholischer ein Mensch ist, desto stärker ist auch seine Leidenschaft für das Absurde, das Groteske, das Surreale und so weiter. Vielleicht entspringt diese Leidenschaft dem Grundwiderspruch, mit dem diese Menschen leben müssen, nämlich dem Konflikt zwischen dem blinden Willen zum Leben als Triebkraft hinter allen Handlungen und der melancholischen Antriebslosigkeit und Resignation, welche gipfelt in einem Unwillen zum Leben und somit ein unlösbares Problem, eine ewige Reibefläche schafft. Das schmerzende, eintönige und auch langweilige Bild der sich als solche aufdrängenden "objektiven Wirklichkeit" wird verwaschen, verschmiert durch eine andere Realität, nämlich die des Paradoxen, Unlösbaren und Absurden.
 
Dazu E.M. Cioran:
 
Es gibt keinerlei Argumente für das Leben. Kann einer, der das Aüßerste erreicht hat, fortan noch mit Argumenten, Ursachen, Wirkungen, moralischen Betrachtungen umgehen? Gewiß nicht. Jenem bleiben nur noch unmotivierte Gründe, um zu leben. Auf der Verzweiflung Höhe wirft die Leidenschaft fürs Absurde als einzige noch dämonisches Licht auf das Chaos. Wenn alle landläufigen Ideale - ethische, ästhetische, religiöse, soziale - das Leben nicht mehr zu leiten im Stande sind und ihm auch kein Ziel mehr zu setzen vermögen, wie kann das Leben sich dann vor der Nichtswerdung noch bewahren? Nur durch Festhalten am Absurden, durch die Liebe des absolut Sinnlosen, das heißt durch etwas, dem die Konsistenz abgeht, das gleichwohl durch seine Fiktion einen Schein von Leben zu erwecken vermag.
 
Man stelle sich nur eine Welt vor, in der es die Idee der Absurdität, des Surrealismus und des Sinnlosen nicht gäbe, eine Welt, die nur aus empirischer Wahrheit und verifizierbaren Fakten und aus nichts sonst bestünde - während sie das Paradies für einfältige, phantasielose und denkfaule Menschen wäre, würde sie jedem mit auch nur ein wenig Luzidität als eine unerträgliche Hölle erscheinen. Die Liebe zum Absurden läßt sich allerdings glücklicherweise bis ins Unendliche, also bis in den Wahnsinn steigern, was immer eine Fluchttür offen läßt aus dieser lebensfeindlichen, langweiligen und enttäuschenden Realität!

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