Donnerstag, 6. Dezember 2012

Die guten Seiten der Hölle - Vom Vorteil, Pessimist zu sein

Der Grundton dieser Website ist ein naturgemäß (im doppelten Sinne) dunkler und düsterer, damit aber neben jenem tiefen Bass der luziden melancholischen Hoffnungslosigkeit auch eine helle, melodiöse Violine mitklingt, werde ich hin und wieder unter dem Motto "Die guten Seiten der Hölle" das beleuchten, was auch dem schwärzesten Denken entkommt und das Leben trotz allem lebenswert macht. Denn es ist ja nicht so, dass pessimistische Philosophen und dergleichen Existenzen den ganzen Tag traurig in einem dunklen Keller über die Sinnlosigkeit des Daseins weinen. Denn "dem Wilen zum Leben ist das Leben gewiß" und da wir nun alle im Kern unseres Wesens nicht nur diesen Willen haben, sondern nichts anderes als dieser Wille sind, bleibt immer - egal wie sehr man auch den Schleier der Maja durchschaut hat - das Streben nach Leben am leben.
 
Dieser erste Beitrag zum Thema "Die guten Seiten der Hölle" beleuchtet kurz zusammengefasst einige Vorteile, Pessimist zu sein.
 
1. Die Beinahe-Resistenz gegen Enttäuschungen: Wer von der Welt im Ganzen und vom Leben im Speziellen prinzipiell enttäuscht ist, der bringt keine oder zumindest kaum mehr Enttäuschung auf, wenn die Dinge wieder einmal nicht so laufen, wie sie laufen sollten, wenn das erstrebte Ziel beim scheinbaren Erreichen wieder einmal um ein paar Kilometer nach vorne verschoben wird, wenn eine Sache, die als sicher und beständig angesehen wurde, urplötzlich zusammenbricht, wenn Politiker nach der Wahl ihre Versprechen nicht halten, die große Reform doch wieder im Keim erstickt wird, die Menschheit wieder nichts aus ihren Fehlern gelernt hat und so weiter. All dies ist nur dann enttäuschend, wenn man von der falschen Grundannahme ausgegangen ist, die man auf verschiedene Arten formulieren kann, zum Beispiel: Die Dinge müssen so laufen, wie wir uns das vorstellen oder Die Menschen sind prinzipiell gut, ehrlich, vernünftig und vertrauenswürdig oder ganz allgemein Das Leben ist da, um glücklich zu sein. Wer jedoch diese optimistischen und grundfalschen Erwartungen überwunden hat, den kann fast nichts mehr erschüttern, weil er nichts anderes mehr erwartet.
 
2. Der Umgang mit Schicksalsschlägen: Während unter Punkt 1 von den kleineren Enttäuschungen des Lebens die Rede war, gegen die man durch den Umständen angepasstes pessimistisches Denken beinahe resistent werden kann, sieht es beim zweiten Punkt etwas anders aus: Gegen große, herbe Schicksalsschläge wie die Diagnose einer schweren Krankheit oder den Verlust eines geliebten Menschen kann auch der abgeklärteste und unerschütterlichste Pessimist nicht immun werden, da wie oben beschrieben der Wille zum Leben immer bestehen bleibt, wenn auch noch so verschüttet unter den Trümmern der Resignation und Verzweiflung, und somit ein schwerer Schlag auch ihn zu Boden wirft. Jedoch wird, behaupte ich, auch mit Ereignissen dieser Schwere und Tragik der pessimistisch-melancholische Geist besser umzugehen wissen, als der ewig heitere, lebensbejahende Optimist. Denn auch wenn ein Schicksalsschlag besonderer Größe auch von ihm zunächst als furchtbar, ungerecht und enttäschend wahrgenommen wird und das altbekannte "Warum Ich?" angestimmt wird, kommt schon bald die alte, verschüttete Erkenntnis wieder an die Oberfläche, dass die Welt eben so ist, dass das Unglück, auch das schwere, in der Natur alltäglich ist und das sich die Frage "Warum ich?" ganz einfach beantworten lässt mit: "Weil ich lebe"! Denn seit gelebt wird, wird auch gelitten, ja - im Grunde ist der Inhalt unseres ganzen Daseins Entbehrung, Not, Kampf, Schmerz und Leiden. Die Frage nach dem Grund für das subjektive Leiden (die warum ich Frage) erübrigt sich durch die Erkenntnis, dass wir alle zum Leiden verdammt sind und furchtbare und schreckliche Schicksalsschläge im Minutentakt die globale Folterkammer "Erde" erschüttern, von der Familie, die in einem Sekundenbruchteil bei einem Verkehrsunfall ausgelöscht wird über die unheilbare Krebserkrankung, die bei einem Kind diagnostiziert wird bis zum Flugzeugabsturz, bei dem Dutzende Existenzen mit einem Schlag ausgelöscht werden. Die Liste fortzusetzen würde jeden Rahmen sprengen, insbesondere wenn man noch die Tierwelt mit einbeziehen würde - jede Sekunde schlägt hundertfach die letzte Stunde. Deshalb erkennt das Individuum, das eine an diese Tatsachen angepasste Weltsicht hat, sein Schicksal als nichts anderes an, als das was von der Natur gewollt wird, manifestiert in ungezählten Tragödien seit Anbeginn des Lebens.
 
3. Die kleinen Freuden des Lebens: Es mag paradox klingen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass pessimistisch denkende Menschen (jedenfalls philosophisch pessimistische) die kleinen Freuden des Lebens mehr genießen können als die dem gesunden Optimismus verfallenen Massen. Denn gerade durch die manchmal überwältigende (im negativen Sinne) Klarsicht auf die Qual und das Leiden des Daseins, freut man sich um so mehr wenn man - und sei es nur für ein paar Minuten - sich an einer Kleinigkeit, einem glücklichen Zufall oder einer besonderen Begebenheit erfreuen kann. Es ist im allgemeinen festzuhalten, dass Pessimisten weitaus sensiblere Menschen sind als der verrohte Durchschnitt, denn wie könnten sie sonst all das wahrnehmen, was die große Herde übersieht. Die gute Seite dieser Übersensibilität ist eben, dass sie auch in die positive Richtung wirkt, was sich in der größeren und intensiveren Freude über die kleinen Dinge bemerkbar macht, welche von der großen Mehrheit der Mitmenschen entweder überhaupt nicht wahrgenommen oder aber als unwichtig und nebensächlich abgetan, im besten Falle einer kurzen Aufmerksamkeit gewürdigt und dann vergessen werden!

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