Die Natur ist, objektiv betrachtet, grausam und gegen sich selbst gerichtet. Sie ist ein Reich des gegenseitigen
Verschlingens und Auslöschens, des Tötens um zu Überleben,
des ewigen Kampfes. Daran ändert die äußerliche Schönheit
und die scheinbare Harmonie der Dinge nichts, denn sobald man vom schönen
Schein absieht, erkennt man den blinden und letztlich sinnlosen Lebenswillen,
der all dies antreibt und die Zahnräder der Vernichtungs-und-Entstehungsmaschine
weiterlaufen läßt. Aus dieser natürlichen Hölle ist
der Mensch aufgestiegen, hat sich abgekapselt aus dem System des allgegenwärtigen
Überlebenskampfes und macht nun "sein eigenes Ding" mit eigenen Gesetzen.
Wen kann es allerdings bei dieser Herkunft aus dem intergalaktischen Schlachthof
noch überraschen, dass auch seine Gesetze ihm kein Glück
und keinen Frieden gebracht haben. Vielmehr haben sie ihm das Dasein noch
erschwert, denn anstatt ihm das Paradies auf Erden zu schenken, haben sie
ihn isoliert vom natürlichen Lauf der Dinge, wodurch ihm etwas in
Scherben gegangen ist, etwas nicht Greifbares, was dennoch immer, in jedem
Augenblick, fehlt. Der Mensch lebt daher in einer doppelten Hölle,
in der natürlichen und der eigenen. Aus der verloren gegangenen
Zugehörigkeit zur Natur entspringt unser ewiges Streben nach Glück,
Frieden und Harmonie, welches niemals erfüllt wird - und selbst wenn
es erfüllt würde, was könnten wir anderes finden als eine
dritte Hölle (etwa Mainländers "idealen Staat", in dem die Menschen
tatsächlich, nicht metaphorisch, vor Langeweile sterben) oder
eben wieder die erste, aus der wir einst aufgestiegen sind?
Ein Vorschlag zur Güte: Lasst uns E.M. Ciorans Vision
folgen und "die gesamte Schöpfung für einen Augenblick in absolute
Agonie versetzen" um sie dann wieder daraus zu erlösen und neu auferstehen
zu lassen. Realistisch betrachtet haben wir keinen Einfluss auf die gesamte
Schöpfung und nicht einmal auf die gesamte Menschheit und man muß
die "Agonie" vielleicht nicht einmal wörtlich nehmen. Nach all den
Jahrtausenden an Heilsrezepten zur ewigen "Verbesserung", immer in der
festen Überzeugung, der neue Garten Eden befände sich schon hinter
der nächsten Steilwand, so dass sich die Mühe lohnt, auch wenn
die Hälfte der Artgenossen auf der Strecke bleibt - was bleibt uns
da noch anderes übrig, als das Eingeständnis, versagt zu
haben, ein allgemeines Hände-in-den-Schoß-legen, ein kollektives
Aufgeben. Ich nenne dieses Programm 100 Tage Endzeit oder Die
Revolution aus Nichts. 100 Tage lang keine Entscheidungen, keine Beschlüsse,
keine Arbeit, keine Kriege, keine Maßnahmen, kein Handel, keine Börsencrashs,
keine Debatten, keine Besserwissereien, keine Konfliktlösungsvorschläge,
kein industrialisierter Tier-Massenmord, keine Militärparaden, keine
Cocktailparties, keine Staatsempfänge, keine Sonderangebote, keine
1.425 Fernsehsender, kein Internet, kein Handynetz, keine Ablenkung von
unseren kleinen, unbedeutenden, nichtigen Existenzen, von denen trotzdem
jede eine eigene Welt für sich ist.
Wer weiß, wozu das führt?
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