"Ein wunderschöner Film über das Ende der Welt – wer außer Lars von Trier
würde sich auf so ein waghalsiges Unterfangen einlassen? Der seit
Jahren für seinen Mut und seine Risikobereitschaft gefeierte Regisseur
legt mit Melancholia erneut ein Meisterwerk vor, mit dem er ganz neue
Wege beschreitet und sein Publikum abermals überrascht. Einmal mehr
blickt der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Däne, dabei mit seinem
bildgewaltigen und emotional schonungslosen Drama tief in die seelischen
Abgründe und Ängste seiner ungleichen Protagonistinnen."
Melancholia
Freitag, 15. Februar 2013
Donnerstag, 17. Januar 2013
Zitat
Man denke sich ein Mal, daß der Zeugungsakt weder ein
Bedürfniß, noch von Wollust begleitet, sondern eine Sache der
reinen, vernünftigen Überlegung wäre: könnte wohl dann
das Menschengeschlecht noch bestehen? Würde nicht vielmehr Jeder so
viel Mitleid mit der kommenden Generation gehabt haben, daß er ihr
die Last des Daseins lieber erspart, oder wenigstens es nicht hätte
auf sich nehmen mögen, sie kaltblütig ihr aufzulegen? - Die Welt
ist eben die Hölle, und die Menschen sind einerseits die gequälten
Seelen und andererseits die Teufel darin.
Da werde ich wohl wieder vernehmen müssen, meine Philosophie sei trostlos; eben nur weil ich nach der Wahrheit rede, die Leute aber hören wollen, Gott der Herr habe alles wohlgemacht. Geht in die Kirche und laßt die Philosophen in Ruhe!
(...)
Um allezeit einen sichern Kompaß, zur Orientierung im Leben, bei der Hand zu haben, und um dasselbe, ohne je irre zu werden, stets im richtigen Lichte zu erblicken, ist nichts tauglicher, als daß man sich angewöhne, diese Welt zu betrachten als einen Ort der Buße, also gleichsam als eine Strafanstalt, eine Strafkolonie, ein Arbeitslager. (...) Hat man jene Gewohnheit angenommen; so wird man seine Erwartungen vom Leben so stellen, wie sie der Sache angemessen sind, und demnach die Widerwärtigkeiten, Leiden, Plagen und Not desselben, im Großen und im Kleinen, nicht mehr als etwas Regelwidriges und Unerwartetes ansehn, sondern ganz in der Ordnung finden, wohl wissend, daß hier Jeder für sein Dasein gestraft wird, und zwar Jeder auf seine Weise. Zu den Übeln einer Strafanstalt gehört dann auch die Gesellschaft, welche man daselbst antrifft. Wie es um diese hieselbst stehe, wird, wer irgendwie einer besseren würdig wäre, auch ohne mein Sagen wissen. Der schönen Seele nun gar, wie auch dem Genie, mag bisweilen darin zu Mute sein, wie einem edlen Staatsgefangenen, auf der Galeere, unter gemeinen Verbrechern; daher sie, wie dieser, suchen werden, sich zu isolieren. Überhaupt jedoch wird besagte Auffassung uns befähigen, die sogenannten Unvollkommenheiten (...) der meisten Menschen, ohne Befremden, geschweige mit Entrüstung, zu betrachten: denn wir werden stets im Sinne behalten, wo wir sind, folglich jeden ansehen zunächst als ein Wesen, welches nur in Folge seiner Sündhaftigkeit existiert, dessen Leben die Abbüßung der Schuld seiner Geburt ist. (...) In der Tat ist die Überzeugung, daß die Welt, also auch der Mensch, etwas ist, das eigentlich nicht sein sollte, geeignet, uns mit Nachsicht gegen einander zu erfüllen: denn was kann man von Wesen unter solchem Prädikament erwarten? - Ja, von diesem Gesichtspunkt aus könnte man auf den Gedanken kommen, daß die eigentlich passende Anrede zwischen Mensch und Mensch "Leidensgefährte" sein sollte.
Arthur Schopenhauer
Da werde ich wohl wieder vernehmen müssen, meine Philosophie sei trostlos; eben nur weil ich nach der Wahrheit rede, die Leute aber hören wollen, Gott der Herr habe alles wohlgemacht. Geht in die Kirche und laßt die Philosophen in Ruhe!
(...)
Um allezeit einen sichern Kompaß, zur Orientierung im Leben, bei der Hand zu haben, und um dasselbe, ohne je irre zu werden, stets im richtigen Lichte zu erblicken, ist nichts tauglicher, als daß man sich angewöhne, diese Welt zu betrachten als einen Ort der Buße, also gleichsam als eine Strafanstalt, eine Strafkolonie, ein Arbeitslager. (...) Hat man jene Gewohnheit angenommen; so wird man seine Erwartungen vom Leben so stellen, wie sie der Sache angemessen sind, und demnach die Widerwärtigkeiten, Leiden, Plagen und Not desselben, im Großen und im Kleinen, nicht mehr als etwas Regelwidriges und Unerwartetes ansehn, sondern ganz in der Ordnung finden, wohl wissend, daß hier Jeder für sein Dasein gestraft wird, und zwar Jeder auf seine Weise. Zu den Übeln einer Strafanstalt gehört dann auch die Gesellschaft, welche man daselbst antrifft. Wie es um diese hieselbst stehe, wird, wer irgendwie einer besseren würdig wäre, auch ohne mein Sagen wissen. Der schönen Seele nun gar, wie auch dem Genie, mag bisweilen darin zu Mute sein, wie einem edlen Staatsgefangenen, auf der Galeere, unter gemeinen Verbrechern; daher sie, wie dieser, suchen werden, sich zu isolieren. Überhaupt jedoch wird besagte Auffassung uns befähigen, die sogenannten Unvollkommenheiten (...) der meisten Menschen, ohne Befremden, geschweige mit Entrüstung, zu betrachten: denn wir werden stets im Sinne behalten, wo wir sind, folglich jeden ansehen zunächst als ein Wesen, welches nur in Folge seiner Sündhaftigkeit existiert, dessen Leben die Abbüßung der Schuld seiner Geburt ist. (...) In der Tat ist die Überzeugung, daß die Welt, also auch der Mensch, etwas ist, das eigentlich nicht sein sollte, geeignet, uns mit Nachsicht gegen einander zu erfüllen: denn was kann man von Wesen unter solchem Prädikament erwarten? - Ja, von diesem Gesichtspunkt aus könnte man auf den Gedanken kommen, daß die eigentlich passende Anrede zwischen Mensch und Mensch "Leidensgefährte" sein sollte.
Arthur Schopenhauer
Dienstag, 15. Januar 2013
Giacomo Leopardi - Unfähigkeit zu allen Dingen
Lang andauerndes Unglück wie auch ein zur Gewohnheit
gewordener Zustand, in welchem dem Menschen Freuden und Anreize für
seine Eigenliebe versagt sind, lassen auch in der edelsten Seele schließlich
jede Phantasie, alles starke Gefühl, Leben, Tatkraft und Stärke
und nahezu jede Seelengabe erlöschen. Denn eine derartige Seele fasst
sich nach der ersten nutzlosen Verzweiflung und dem wilden und schmerzreichen
Zusammenstoß mit der Notwendigkeit schließlich in einem Zustand
der Stille und kennt keinen Ausweg im Leben mehr, wie auch Natur und Zeit
ihr nichts anderes gebieten, denn die Eigenliebe dauernd zurückzudrängen
und zu unterdrücken, damit sie das Unglück weniger hart treffe,
dieses besser zu ertragen und mit der Ruhe eher vereinbar sei. Daraus entsteht
dann eine übermäßige Gleichgültigkeit und Härte
gegen sich selbst, ein vollkommenes Absterben geistigen Lebens und menschlicher
Gaben. Der Mensch nimmt an sich selbst keinen Anteil mehr und widmet sich
auch keiner Sache, denn im Grunde nimmt er an Dingen nur Anteil, wenn sie
eine mehr oder weniger enge und offenbare, aber doch irgendwie geartete
Beziehung zu ihm selbst haben, weder die Schönheiten der Natur, Musik,
Dichtung, erfreuliche oder traurige Weltereignisse, noch Glück und
Unglück anderer Menschen, gehören sie selbst zu seinen allernächsten,
erzeugen in ihm einen lebhaften Eindruck, wecken oder erwärmen ihn
innerlich oder sprechen seine Phantasie und sein Gefühl an oder fordern
seine Anteilnahme und bereiten ihm weder Freude noch Schmerz, obwohl sie
ihn noch vor wenigen Jahren mit Begeisterung erfüllt und zu tausenderlei
Schöpfungen angeregt hatten. Er ist über seine eigene Unfruchtbarkeit,
Unrührbarkeit und Kälte selbst hilflos erstaunt und sieht sich,
nachdem er einstmals die größten Fähigkeiten besessen hatte,
nun völlig unfähig zu allem und jedem und sich selbst wie den
anderen unnütz. Das Leben erstirbt, wenn die Eigenliebe ihren Wirkungsbereich
eingebüßt hat. Jede Seelenkraft erlischt mit der Hoffnung. Ich
meine damit nur den Zustand beruhigter Verzweiflung; denn die wilde ist
voller Hoffnungen oder wenigstens Wünsche und giert noch im selben
Augenblick nach Glück, in dem sie Stahl oder Gift gegen sich selbst
richtet.
Völlig erloschen sind die Wünsche in einer Seele, die sich damit abgefunden hat, sie stets unerfüllt zu sehen, und die aufgrund vernünftiger Überlegung oder gar beider dazu herabsank, sie selbst einzuschläfern oder gar zu unterdrücken. Der Mensch, welcher sich selbst nichts mehr wünscht und sich selbst nicht mehr liebt, taugt auch für andere nichts. Alle Freuden, Leiden, Regungen und Taten, welche ihm die oben erwähnten Dinge, d.h. die Natur und alle übrigen Erscheinungen eingaben, bezogen sich in der ein oder anderen Weise auf ihn selbst, und ihr Lebenselement bestand in einer Rückkehr zu sich selbst. Jene einst so starke Seele büßte nun alles Wilde, jeden Menschenhass, Groll und Unwillen, ja jede Eigenliebe ein und hat kein Gefühl mehr für Tränen, dem Mitleid ist sie völlig verschlossen. Sie läßt sich noch dazu bewegen, Hilfe zu leihen, aber nicht mehr mit zu leiden. Sie wird noch Gutes tun und Beistand leisten, aber nur aus einer kalten Idee der Pflicht oder eher noch aus Gewohnheit, ohne das ein Gefühl sie dazu anspornte oder ihr daraus eine Freude entstünde. Die wahre und völlig befriedete Gleichgültigkeit gegenüber sich selbst bedeutet auch eine solche gegenüber allem anderen und damit eine Unfähigkeit zu allen Dingen, eine Vernichtung auch der von Natur größten und fruchtbarsten Seele.
aus dem Buch Die Untröstlichen
Völlig erloschen sind die Wünsche in einer Seele, die sich damit abgefunden hat, sie stets unerfüllt zu sehen, und die aufgrund vernünftiger Überlegung oder gar beider dazu herabsank, sie selbst einzuschläfern oder gar zu unterdrücken. Der Mensch, welcher sich selbst nichts mehr wünscht und sich selbst nicht mehr liebt, taugt auch für andere nichts. Alle Freuden, Leiden, Regungen und Taten, welche ihm die oben erwähnten Dinge, d.h. die Natur und alle übrigen Erscheinungen eingaben, bezogen sich in der ein oder anderen Weise auf ihn selbst, und ihr Lebenselement bestand in einer Rückkehr zu sich selbst. Jene einst so starke Seele büßte nun alles Wilde, jeden Menschenhass, Groll und Unwillen, ja jede Eigenliebe ein und hat kein Gefühl mehr für Tränen, dem Mitleid ist sie völlig verschlossen. Sie läßt sich noch dazu bewegen, Hilfe zu leihen, aber nicht mehr mit zu leiden. Sie wird noch Gutes tun und Beistand leisten, aber nur aus einer kalten Idee der Pflicht oder eher noch aus Gewohnheit, ohne das ein Gefühl sie dazu anspornte oder ihr daraus eine Freude entstünde. Die wahre und völlig befriedete Gleichgültigkeit gegenüber sich selbst bedeutet auch eine solche gegenüber allem anderen und damit eine Unfähigkeit zu allen Dingen, eine Vernichtung auch der von Natur größten und fruchtbarsten Seele.
aus dem Buch Die Untröstlichen
E.M. Cioran - Bildnis des Zivilisationsmenschen
(...) Niemand könnte leugnen, daß auch die
Natur verdorben ist, aber diese Verderbnis hat kein Datum, sie ist ein
unvordenkliches und unvermeidbares Übel, dem wir uns notgedrungen
anzupassen haben. Das Übel der Zivilisation jedoch ist aus unseren
Taten und Launen hervorgegangen und wirkt um so niederdrückender,
je zufälliger es uns erscheint, es trägt den Stempel einer Entscheidung
oder einer Willkür, eines vorbedachten, freiwilligen Verhängnisses,
zu Recht oder Unrecht glauben wir, es hätte garnicht eintreten müssen,
es habe nur an uns gelegen, es überhaupt nicht aufkommen zu lassen.
Dies läßt es uns vollends noch hassenswerter erscheinen, als
es ohnehin schon ist. Wir sind untröstlich darüber, derart subtile
Miseren aushalten zu müssen, wo doch die gröberen, aber im ganzen
erträglicheren, mit denen die Natur uns so verschwenderisch ausgestattet
hat, uns eigentlich genügen könnten.
Wären wir in der Lage, von unseren Wünschen loszukommen, so würden wir zugleich auch vom Schicksal loskommen; wir wären dann den Wesen, den Dingen und uns selbst überlegen. Nicht gewillt, uns weiter mit der Welt zu amalgamieren, würden wir durch das Opfer unserer Identität zur Freiheit gelangen, denn die ist untrennbar von einem Training in der Namenlosigkeit und in der Entsagung. "Ich bin niemand, ich habe meinen Namen besiegt!" So spricht einer, der sich nicht dazu erniedrigen will, Spuren zu hinterlassen (...).
Das Christentum hat uns zu wahnwitzigen Eiferern gemacht und uns damit unabsichtlich in die Lage versetzt, eine Zivilisation hervorzubringen, deren Opfer es jetzt geworden ist. Hat es nicht allzu viele Bedürfnisse, allzu viele Ansprüche in uns erschaffen? Anfangs waren diese Ansprüche, diese Bedürfnisse innerlicher Art, bald aber sanken sie ab und wandten sich nach außen. Die Inbrunst, der so viele nun plötzlich zum Schweigen gebrachte Gebete entströmt waren, konnte nicht einfach verschwinden und ohne Anwendung bleiben, sie mußte sich in den Dienst von Ersatzgöttern stellen, für deren Nichtigkeit sie sich Symbole zimmerte. Wir sehen uns Nachbildern des Unendlichen ausgeliefert, einem Absoluten ohne metaphysische Dimension preisgegeben, in die Geschwindigkeit statt in die Ekstase gestürzt. Das keuchende Eisenzeug, Echo unserer Emsigkeit, die Gespenster, die es handhaben. Aufmarsch von Automaten, Prozession von Halluzinierten! Wohin gehen sie? Was suchen sie? Welcher Wahnsinnswind reißt sie mit sich fort? Jedesmal wenn ich eine Neigung in mir verspüre, ihnen Nachsicht entgegenzubringen, wenn ich Zweifel bekomme an der Berechtigung des Widerwillens oder des Schreckens, den sie mir einjagen, brauche ich nur an die Landstraßen, wie sie am Sonntag aussehen, zu denken, und das Bild dieses motorisierten Ungeziefers bestärkt mich in meinem Ekel und in meinem Abscheu. (...)
In diesem Stadium müsste die Zivilisation wie ein Pakt mit dem Teufel erscheinen, wenn der Mensch noch eine Seele zu verkaufen hätte. Wurden diese Maschinen denn wirklich erfunden, um Zeit zu gewinnen? Hilfloser und enterbter als der Höhlenbewohner hat der Zivilisationsmensch nicht einen Augenblick mehr für sich alleine; sogar noch seine Mußestunden sind fieberhaft und bedrückend: Urlaub eines Sträflings, preisgegeben der Verdrossenheit des farniente und dem Alptraum der Badestrände. (...)
Da er trotz seiner Tollheit berechnend ist, bildet er sich ein, seine Sorgen und Kümmernisse wären geringer, wenn es ihm gelänge sie in der Form von "Entwicklungsprogrammen" den sogenannten "unterentwickelten" Völkern aufzuzwingen, denen er vorwirft, nicht "auf der Höhe" zu sein, das heißt nicht in besinnungslosem Wirbel. Um sie leichter zu Fall zu bringen, propft er ihnen das Gift der Angst auf und läßt sie nicht eher los, als bis er bei ihnen die gleichen Symptome von Tatenlust beobachtet hat. Um seinen Traum von einer atemlosen, hirnverbrannten und zeitversklavten Menschheit zu verwirklichen, durcheilt er die Kontinente, immer auf der Suche nach neuen Opfern, auf die er die Überflüsse seiner fiebernden Finsternis ergießen kann. Wenn man ihn anschaut, erkennt man die eigentliche Natur der Hölle: ist sie nicht der Ort, wo man für alle Ewigkeit zur Zeit verurteilt ist?
aus dem Buch Der Absturz in die Zeit
Wären wir in der Lage, von unseren Wünschen loszukommen, so würden wir zugleich auch vom Schicksal loskommen; wir wären dann den Wesen, den Dingen und uns selbst überlegen. Nicht gewillt, uns weiter mit der Welt zu amalgamieren, würden wir durch das Opfer unserer Identität zur Freiheit gelangen, denn die ist untrennbar von einem Training in der Namenlosigkeit und in der Entsagung. "Ich bin niemand, ich habe meinen Namen besiegt!" So spricht einer, der sich nicht dazu erniedrigen will, Spuren zu hinterlassen (...).
Das Christentum hat uns zu wahnwitzigen Eiferern gemacht und uns damit unabsichtlich in die Lage versetzt, eine Zivilisation hervorzubringen, deren Opfer es jetzt geworden ist. Hat es nicht allzu viele Bedürfnisse, allzu viele Ansprüche in uns erschaffen? Anfangs waren diese Ansprüche, diese Bedürfnisse innerlicher Art, bald aber sanken sie ab und wandten sich nach außen. Die Inbrunst, der so viele nun plötzlich zum Schweigen gebrachte Gebete entströmt waren, konnte nicht einfach verschwinden und ohne Anwendung bleiben, sie mußte sich in den Dienst von Ersatzgöttern stellen, für deren Nichtigkeit sie sich Symbole zimmerte. Wir sehen uns Nachbildern des Unendlichen ausgeliefert, einem Absoluten ohne metaphysische Dimension preisgegeben, in die Geschwindigkeit statt in die Ekstase gestürzt. Das keuchende Eisenzeug, Echo unserer Emsigkeit, die Gespenster, die es handhaben. Aufmarsch von Automaten, Prozession von Halluzinierten! Wohin gehen sie? Was suchen sie? Welcher Wahnsinnswind reißt sie mit sich fort? Jedesmal wenn ich eine Neigung in mir verspüre, ihnen Nachsicht entgegenzubringen, wenn ich Zweifel bekomme an der Berechtigung des Widerwillens oder des Schreckens, den sie mir einjagen, brauche ich nur an die Landstraßen, wie sie am Sonntag aussehen, zu denken, und das Bild dieses motorisierten Ungeziefers bestärkt mich in meinem Ekel und in meinem Abscheu. (...)
In diesem Stadium müsste die Zivilisation wie ein Pakt mit dem Teufel erscheinen, wenn der Mensch noch eine Seele zu verkaufen hätte. Wurden diese Maschinen denn wirklich erfunden, um Zeit zu gewinnen? Hilfloser und enterbter als der Höhlenbewohner hat der Zivilisationsmensch nicht einen Augenblick mehr für sich alleine; sogar noch seine Mußestunden sind fieberhaft und bedrückend: Urlaub eines Sträflings, preisgegeben der Verdrossenheit des farniente und dem Alptraum der Badestrände. (...)
Da er trotz seiner Tollheit berechnend ist, bildet er sich ein, seine Sorgen und Kümmernisse wären geringer, wenn es ihm gelänge sie in der Form von "Entwicklungsprogrammen" den sogenannten "unterentwickelten" Völkern aufzuzwingen, denen er vorwirft, nicht "auf der Höhe" zu sein, das heißt nicht in besinnungslosem Wirbel. Um sie leichter zu Fall zu bringen, propft er ihnen das Gift der Angst auf und läßt sie nicht eher los, als bis er bei ihnen die gleichen Symptome von Tatenlust beobachtet hat. Um seinen Traum von einer atemlosen, hirnverbrannten und zeitversklavten Menschheit zu verwirklichen, durcheilt er die Kontinente, immer auf der Suche nach neuen Opfern, auf die er die Überflüsse seiner fiebernden Finsternis ergießen kann. Wenn man ihn anschaut, erkennt man die eigentliche Natur der Hölle: ist sie nicht der Ort, wo man für alle Ewigkeit zur Zeit verurteilt ist?
aus dem Buch Der Absturz in die Zeit
Samstag, 12. Januar 2013
Radiosendung über E.M. Cioran
Hier gibt es eine interessante Radiosendung über E.M. Cioran, in der auch der Philosoph selbst in deutscher Sprache zu hören ist.
Der Schriftsteller und Philosoph E. M. Cioran
Der Schriftsteller und Philosoph E. M. Cioran
Sendung vom Freitag, 27.1.2006 | 8.30 Uhr | SWR2
Aus der Reihe: Schauplatz
Von Jürgen von Esenwein
Gerade 22 Jahre alt, wird E. M. Cioran in seinem 1934 erschienenen Erstlingswerk "Auf den Gipfeln der Verzweiflung" bekennen: "Die Tatsache, dass ich lebe, beweist, dass die Welt keinen Sinn hat. Denn wie könnte ich in der Ruhelosigkeit eines übermäßig erregten und unglücklichen Menschen, für den sich alles letztlich auf das Nichts beschränkt und über dem das Leiden als Weltgesetz waltet, einen Sinn aufspüren. ... Mir ist seltsam zumute, wenn ich bedenke, dass ich bereits zu einem Spezialisten des Todes geworden bin."
Seit Erscheinen dieses Buches hat Cioran seinen Weg als einer der größten Skeptiker des 20. Jahrhunderts konsequent fortgesetzt. Wohl deshalb hat er keine philosophische Theorie geschaffen, sondern in brillant geschliffener Sprache allgemein anerkannte Denkvorstellungen radikal in Zweifel gezogen und so Wege zu überraschenden neuen Einsichten gewiesen. Seine Antwort auf die ihm immer wieder gestellte Frage, was im Leben der Menschen wirklich zähle, lautet ebenso lapidar wie bitter. "Nichts zählt".
Von Jürgen von Esenwein
Gerade 22 Jahre alt, wird E. M. Cioran in seinem 1934 erschienenen Erstlingswerk "Auf den Gipfeln der Verzweiflung" bekennen: "Die Tatsache, dass ich lebe, beweist, dass die Welt keinen Sinn hat. Denn wie könnte ich in der Ruhelosigkeit eines übermäßig erregten und unglücklichen Menschen, für den sich alles letztlich auf das Nichts beschränkt und über dem das Leiden als Weltgesetz waltet, einen Sinn aufspüren. ... Mir ist seltsam zumute, wenn ich bedenke, dass ich bereits zu einem Spezialisten des Todes geworden bin."
Seit Erscheinen dieses Buches hat Cioran seinen Weg als einer der größten Skeptiker des 20. Jahrhunderts konsequent fortgesetzt. Wohl deshalb hat er keine philosophische Theorie geschaffen, sondern in brillant geschliffener Sprache allgemein anerkannte Denkvorstellungen radikal in Zweifel gezogen und so Wege zu überraschenden neuen Einsichten gewiesen. Seine Antwort auf die ihm immer wieder gestellte Frage, was im Leben der Menschen wirklich zähle, lautet ebenso lapidar wie bitter. "Nichts zählt".
VHEMT - The Voluntary Human Extinction Movement
"Das langsame Aussterben der menschlichen Rasse durch freiwilliges Aufgeben
der Fortpflanzung wird es dem Leben auf der Erde ermöglichen, wieder
einen gesunden Zustand zu erreichen. Die Enge und die Rohstoffknappheit
werden nachlassen, wenn die Bevölkerung zurückgeht."
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